Lebensräume & Naturkraft
Arbeitslosigkeit - was nun?
Wer will mich?
Die Anforderungen des Arbeitsmarktes an Bewerber steigen ständig
Vor einem Jahrhundert musste man noch handwerklich begabt sein, danach zählten die intellektuellen Fähigkeiten mehr – der Arbeitsmarkt heute aber fordert den Übermenschen: Intelligent, engagiert, welterfahren, bescheiden und wenn möglich soll er auch noch schön anzusehen sein.
Stützten sich einige Unternehmer bis vor wenigen Jahren noch auf die intellektuellen Leistungen eines Bewerbers, um sich für ihn oder einen anderen zu entscheiden, wird heute vermehrt wert auf die Persönlichkeitszüge gelegt. Längst hat die soziale Intelligenz das Monopol des IQs gestürzt. Heute weiß man, dass intellektuelle Fähigkeiten wenig Einfluss auf beruflichen und privaten Erfolg sowie auf ein glückliches Leben haben.
Menschliche Fertigkeiten, die in sozialen Interaktionen nützlich und vorteilhaft wirken können, werden heute als Soziale Intelligenz zusammengefasst. Die „social Skills“, die man braucht, um sozial intelligent zu wirken, sind unter anderem Selbstbewusstsein, Toleranz, Selbstverantwortung, Teamfähigkeit, Kompromissfähigkeit und vieles weitere mehr, was man mit den Eigenschaften eines „perfekten Menschen“ assoziiert. Wer sozial intelligent ist, so sind sich die Wissenschaftler einig, wird Erfolg haben im Leben. Doch das ist noch nicht alles. Wer heute einen gut bezahlten Job ergattern möchte, sollte die beste Ausbildung besitzen, Persönlichkeitsbildung betrieben haben, von Natur aus Fähigkeiten für diesen einen Job mit sich bringen und formbar bleiben – kurz: keine Ecken und Kanten haben.
Seit einigen Jahren werden Auswahlverfahren entwickelt, die diese Fähigkeiten von Bewerbern messen sollen. Im beruflichen Kontext wird dies in den nächsten Jahren in unserer Gesellschaft noch zunehmen, da durch die wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen immer weniger Arbeit auf immer mehr Menschen aufgeteilt werden muss, und ganz nach Darwin wird hier ein „Survival oft the fittest“ stattfinden: Der, der am meisten kann, am (sozial) fittesten ist, bekommt den Zuschlag.
So passiert es heute schon nicht selten, sich in einer Horde an Bewerbern wiederzufinden, die alle besser, schöner, netter und gescheiter als die anderen sind.
Sehr modern in Bewerbungsangelegenheiten sind zur Zeit „Assessment Centers“, die dazu dienen, den geeigneten Bewerber für eine bestimmte Stelle zu ermitteln, indem soziale, intellektuelle sowie persönliche Fähigkeiten ermittelt werden. Die Bewerber werden einzeln oder in der Gruppe vor bestimmte Probleme gestellt und ihr Umgang damit wird beobachtet und eingeschätzt. Kein Frage-Antwort-Spiel mehr indem man noch einiges durch Selbstdarstellung hinbiegen konnte.
Auch andere Instrumente können zur Messung von sozialen Fähigkeiten verwendet werden. Die Analyse des Lebenslaufes von Bewerbern zum Beispiel. War der Bewerber oder die Bewerberin ehrenamtlich engagiert? Hat er Erfahrung in der Leitung von Gruppen (hier kommen auch Jungschar- oder Pfadfindergruppen in Frage)? Bestimmte Aus- und Weiterbildungen können ebenso ein Indikator für soziale Skills sein, zum Beispiel im Persönlichkeitsbereich.
Müssen Menschen heute Übermenschen sein, um am Arbeitsmarkt überhaupt noch wahrgenommen zu werden? Schönes Aussehen, Kompetenz, die Pflege guter Umgangsformen, Gehorsamkeit, Engagement sind längst Elemente, die in höher dotierten Jobs durchaus gefordert werden. Es sei dahingestellt, ob dies eine positive Entwicklung darstellt, und auf die Eigenverantwortung appelliert:
Entscheidet sich der Bewerber dieses Spiel mitzuspielen, bei dem Masken und Floskeln oft über 8 Stunden täglich das Leben dominieren, oder besinnt er sich auf seinen Kern und lebt sein authentisches Ich, vielleicht mit weniger Aussichten auf hoch bezahlte Jobs, aber eventuell mit mehr Lebensqualität?
Autorin: Sandra Weihs
Artikel zur Verfügung gestellt:
LebensZeit Verlag
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