Ernährung - Nahrung als Medizin

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Auf den Geschmack gekommen Artikel

Geruch- und Geschmackserlebnis

„Ich habe einen ganz einfachen Geschmack:
Ich bin immer mit dem Besten zufrieden.“
Oscar Wilde

Der Geschmack öffnet Türen zu unserer Erinnerung. So stark, dass es dem französischen Dichter Marcel Proust mehrere Seiten Beschreibung wert ist, wie ihn eine Madeleine (ein kleiner Kuchen) und ein Schluck Tee in die Welt seiner Kindheitserlebnisse mit Bildern, Klängen, Geschmäckern und Gerüchen zurückzuversetzen vermag.

 

 

Der Geschmackssinn des Menschen ist im Vergleich zu unseren anderen Sinnen eher schwach ausgeprägt und einfach gestrickt. Trotzdem lässt er uns gemeinsam mit ihnen in einer Sinfonie der Genüsse schwelgen. Was schmeckt Ihnen am Liebsten? Süßes, Saures, Bitteres, Salziges oder gar Umami? Hier lade ich Sie ein auf einen Ausflug ins Land der Geschmäcker.

Womit schmecken wir?

„Mit unsere Zunge!“, denken Sie? Das ist nur zum Teil richtig, denn unsere Zunge hat vorrangig wichtigere Aufgaben: Sie hilft uns beim Ertasten der Nahrung, beim Kauen, Saugen, Schlucken, und Sprechen. Und nur ein kleiner Teil ist für das Schmecken zuständig, denn auch an Gaumen und Kehldeckel sitzen die sogenannten „Geschmacksknospen“. Sind es bei einem Säugling noch rund 8000-12000 davon, werden sie im Laufe des Lebens weniger bis hin zu 2000-3000 bei Senioren. Mit diesen Geschmacksknospen können wir fünf Haupt- Geschmacksrichtungen wahrnehmen: süß, sauer, salzig, bitter - und umami (kommt aus dem Japanischen und heißt „fleischig, herzhaft, Köstlichkeit), dem sogenannten „Pikanten“.  Scharf gilt wissenschaftlich nicht als Geschmacksrichtung sondern als Schmerzsignal. Natürlich sind auch Speichel und Zähne indirekt beim Schmecken beteiligt, da oft durch längeres Kauen intensiver Geschmack entsteht.
Die Geschmacksbewertung findet unbewusst im limbischen System unseres Gehirns statt, jenem Teil, das für Gefühle zuständig ist. Dadurch eröffnet ein bestimmter Geschmack oft den Zugang zu einer Gefühlssituation der Vergangenheit.

Ob uns etwas schmeckt entscheidet auch die Nase – man schätzt, dass 80% unserer Geschmacksempfindung über die Nase läuft. Einerseits prüft die Nase schon den Bissen auf seine Genießbarkeit, ehe er im Mund landet, andererseits gelangen die Geruchsbestandteile über den Rachen von hinten in die Nase zu den Riechrezeptoren. Das erklärt auch, warum landläufig bei einem Schnupfen das Essen weniger intensiv schmecken kann, aber nicht muss.

Entwicklung der Geschmäcker

Ab dem 3. Schwangerschaftsmonat kostet das Ungeborene das Fruchtwasser, das seine zukünftigen Geschmackspräferenzen prägt. Gleich nach der Geburt sind Geruchs- und Geschmackssinn gut, aber nicht vollständig entwickelt. 4 Tagen nach der Geburt erkennt das Baby den Geruch seiner Mutter und den Geschmack Ihrer Haut und Milch. Über den Geschmack der Muttermilch, die je nach Nahrung der Mutter zur Prägung des Geschmackssinns beiträgt, beginnen die Kleinen schließlich alles was zwischen die Hände gerät, mit der Zunge zu erforschen. Ob weich, ob hart, pelzig oder glatt, bitter oder neutral, sehr konzentriert lernt das Kind den Geschmack zum Beispiel einer Holzente kennen und gewinnt damit die ersten physikalischen Erkenntnisse.

Im Laufe des Erwachsenwerdens entwickelt sich auch unser Geschmackssinn. Ein kleiner Teil dessen was uns schmeckt und was nicht ist schon früh festgelegt. Israelische Wissenschaftler des Weizmann-Instituts für Wissenschaften haben herausgefunden, dass es gut 50 verschiedene Gene gibt, die das „Geschmacksempfinden“ beeinflussen, wobei aber jeweils nur ein Teil der Gene aktiv ist. Ihre Aktivierung ist willkürlich und kulturbestimmt. So gibt es fast unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten und damit Ausprägungen des menschlichen Geschmackssinns.
Ein großer Teil unserer Geschmackspräferenz wird durch die jeweilige Kultur geprägt, in der wir heranwachsen. (z.B. Ameisen, Raupen, Schweinefleisch…) Wir erlernen also was uns schmeckt und was nicht. Und damit steht auch fest, dass unser Geschmackssinn trainierbar ist, je öfter wir etwas kosten, desto besser schmeckt es uns. Probieren Sie es aus, kosten Sie sich durch alle nichtösterreichischen Restaurants Ihrer Umgebung!

„Bei der Ausprägung des Geschmackssinns merkt sich der kindliche Organismus vermutlich zwei Dinge. Zum einen, wie eine Speise ihm schmeckt und zum anderen speichert er ab, welche Wirkung sie auf den Körper hat. Ferner hängt es aber auch von der Situation, der Reaktion der Bezugspersonen und der Umgebung ab.“
(Dipl. oec. troph. Lisa Vogel, www.ugb.de)

Was steckt dahinter? Ein Ausflug in die Chemie.

Über den Geschmackssinn konnte der Körper der ersten Menschen (und immer noch der unserer Kinder – siehe Kasten) immer am Besten steuern, was er gerade an Baustoffen benötigte. Da unser Körpersystem immer noch steinzeitlich funktioniert, haben wir im besten Fall  genau auf das Gusto, was uns fehlt.

Doch Vorsicht: Dieses fein ausgeklügelte System funktioniert im Land der künstlich aromatisierten Lebensmittel nicht mehr. Ein Hunger auf „süß“ bedeutet keineswegs, dass wir jetzt einen Löffel Zucker brauchen. Wir sollten bewusst das essen, was dem Steinzeitmenschen zur Verfügung stand bei Gusto auf „Süß“: Obst, Beeren, Gemüse… und damit all jene Stoffe, die darin enthalten sind.

Industriell gefertigte Nahrungsmittel schränken die Geschmacksvielfalt drastisch ein. Die Wissenschaft bestätigt, dass unser feiner Geschmackssinn über ein zuviel an Salz, Zucker und unzähligen Aromastoffen verkümmern kann. (Eventuell ist das ja auch ein Grund dafür, dass die Geschmacksknospen so stark abnehmen mit dem Alter.) Über Geschmacksverstärker und synthetische Aromastoffe (die meiner Meinung nach abhängig machen), bindet die Lebensmittelindustrie ihre Kunden an sich. Über Fertigprodukte und „Marken“, die überall auf der Welt zu kaufen sind und daher auch gleich schmecken, züchtet die Industrie lebenslang treue „Stammkunden“. Synthetische Aromastoffe haben aber noch einen weitaus schlimmeren Nachteil: Wenn unsere Kinder niemals eine reife Erdbeere vom Busch geschmeckt haben, kennen sie nur das Aroma diverser Erdbeerlutscher/Säfte und ziehen dann das künstliche Produkt dem echten vor.

„Die kanadische Kinderärztin Clara Davis fand bereits 1928 heraus, dass Kleinkinder ihre Speisen danach auswählen können, was gut für ihren Körper ist. In mehreren Studien ließ sie Kinder im Alter von sechs bis neun Monaten die freie Wahl zwischen 34 verschiedenen Speisen und Getränken. Erstaunlicherweise griffen die Kinder instinktiv zu dem, was für sie gesund war, und sie glichen sogar eigenständig Defizite aus. Experten kritisieren an der Studie allerdings, dass den Kindern nur gesunde, unverarbeitete Lebensmittel zur Verfügung gestellt wurden. Aktuelle Untersuchungen hierzu fehlen leider. So lässt sich nicht beurteilen, ob die appetitgesteuerte Nahrungsauswahl auch mit industriell verarbeiteten Speisen zu einer guten Nährstoffversorgung führen würde. Vermutlich nicht…“
(Dipl. oec. troph. Lisa Vogel, www.ugb.de)

5 Geschmacksrichtungen und noch mehr

5 Geschmacksrichtungen haben wir schon in der Schule gelernt, doch in Wirklichkeit können wir noch viele weitere „Geschmäcker“ wahrnehmen, z.B.  Kalzium, metallisch, alkalisch, wasserhaltig oder gar „chemisch“ (wenn z.B. ein Zuckerl nach Erdbeere schmeckt, aber eindeutig nicht einmal neben einer solchen gelegen ist…). Das  ist schon seit Jahrhunderten bekannt, nur gibt es dazu noch zu wenige wissenschaftliche Erkenntnisse. Ein Team aus französischen und US-amerikanischen Wissenschaftlern erforscht gerade, ob die Vorliebe für Fett tatsächlich durch Geschmacksrezeptoren oder aber lediglich durch den Geruch und die Konsistenz von Fett ausgelöst wird. Hier nun einmal die sechs Bekanntesten:

Süß:
Wissenschaftler gehen von einer angeborenen Präferenz für süß aus. Der süße Geschmack bedeutet für den  Körper, dass nun rasch zu verwertende Energiequellen (Kohlehydrate) zur Verfügung stehen. Ein Verlangen nach süß ist ein Signal für Energiemangel,  Mangel an Vitaminen und Magnesium – kurz alles das, was im Obst vorhanden ist. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) stärkt süß Magen und Milz, zuviel davon schwächt sie. (Mehr darüber lesen Sie bitte im Kapitel über die TCM)

Bitter:
Viele für den Menschen giftige Substanzen schmecken bitter. So hat eine Aversion gegen bitter auch einen stammesgeschichtlichen Ursprung. Heutzutage kommt der bittere Geschmacksstoff allerdings zu wenig zum Einsatz, da er auch wichtige verdauungsfördernde Enzyme aktiviert. In der TCM stärkt bitter das Herz und den Dünndarm, zuviel davon schädigt sie.

Salzig:
Salziges macht auf Mineralien aufmerksam, die lebensnotwendig sind, um unseren Mineralstoffhaushalt im Gleichgewicht zu halten. Das gilt allerdings für uns nur, wenn wir Ursalz verwenden, industriell gereinigtes Salz (herkömmliches Speisesalz) führt keinerlei Mineralstoffe zu! Bei starkem Salzverlangen empfiehlt sich, auf Ursalz, bzw. mineralhaltige Salze umzusteigen, bzw. auf biomolekularer Ebene einen Ausgleich zu schaffen (z.B. Schüssler-Salze aus der Apotheke). In der TCM stärkt salzig Niere und Blase, zuviel davon schädigt sie.

Sauer:
Sauer ist in der Natur ein Hinweis darauf, dass Früchte noch nicht reif sind oder Nahrung verdorben ist. Von Geburt an reagieren wir daher auf sauren Geschmack zunächst mit Ablehnung. In der TCM stärkt sauer Leber und Galle, zuviel davon schädigt sie.

Umami:
Der Geschmack umami wurde schon vor hundert Jahren beschrieben (wir sagten noch „pikant“ dazu), Forscher fanden aber erst in den 1990er Jahren die zuständigen Rezeptoren. Umami signalisiert dem Körper eiweißreiche Nahrungsmittel, genauer gesagt den Geschmack von Salzen der Aminosäure Glutamat. Glutamat ist die in Proteinen am häufigsten vorkommende Aminosäure und wird als Geschmacksverstärker (der oft zur Unverträglichkeit führt) vielen verarbeiteten Lebensmitteln zugesetzt.

Scharf:
Scharf ist eigentlich keine Geschmacksrichtung,  sondern das Schmerzempfinden der Zunge auf bestimmte Substanzen und beeinträchtigt auch die Geschmackswahrnehmung. In der TCM stäkt scharf Lunge und Dickdarm, zuviel davon schädigt sie.

Weitere Komponenten, damit es uns schmeckt

Ihre Wahrnehmung von Geschmack hängt von allen Sinnen, Ihren Erinnerungen und Ihrer momentanen Verfassung ab. Eine der größten Überraschungen Ihres Körpers: Der Geschmackssinn, der anscheinend nur aus ein paar „Erhebungen“ auf Ihrer Zunge besteht, ist vielleicht Ihre wundersamste Pforte der Wahrnehmung. In seinem „Buch „Dein Körper: Das Missing Manual“ schreibt Autor Matthew McDonald über die Komponenten, die ebenfalls wichtig sind, damit es uns schmeckt:

  • Beschaffenheit. Wie sich Essen anfühlt, wenn es Ihren Zähnen nachgibt und sich in Ihrem Mund mischt, wirkt sich auf Ihr Empfinden aus. Als Beispiel seien alte Pommes frites oder Limonade genommen – ihre Konsistenz hat sich verändert, es schmeckt nicht mehr gut. 
  • Temperatur. Alle Geschmacksreize sind bei Temperaturen zwischen 22 und 32 °C am stärksten wahrnehmbar. Warmes Essen ist daher schmackhafter.
  • (Schmerz-)Empfindungen. Manche Empfindungen auf der Zunge haben nichts mit Ihren Geschmacksknospen zu tun. Beispiele dafür sind das Prickeln von Alkohol, die Kühle von Minze und das Brennen scharfer Gewürze. Diese Substanzen machen sich an den Nervenenden in Ihrer Zunge zu schaffen. Manche Speisen wie zum Beispiel scharfe Chilischoten verursachen tatsächlich Schmerzen.


Chili-Überlebenstipp: Da der Wirkstoff ein Öl ist, können Sie ihn mit Wasser nicht wegwaschen. Das Fett in Vollmilch oder der Alkohol im Bier lösen ihn besser auf oder ein paar Bissen Brot. Im Vergleich dazu ist das brennende Gefühl von Senf oder Wasabi kurzlebiger, weil der Kick vor allem auf die Geruchsrezeptoren in der Nasenhöhle wirkt.)
„Dein Körper: Das Missing Manual“ v. Matthew McDonald

  • Aussehen. Köchen bringt man bei, dass der erste Bissen mit dem Auge genommen wird, und es gibt auch solide wissenschaftliche Grundlagen dafür, das so zu sehen. Wenn Sie die Farbe von Lebensmitteln ändern, bewirkt das, dass sich die Leute einen anderen Geschmack vorstellen.
  • Kombinationen. Wenn Sie verschiedene Geschmacksrichtungen mischen, kommt als Ergebnis mehr als die Summe der einzelnen Teile heraus. So behaupten manche Menschen, dass eine Erdbeere stärker nach Erdbeere schmeckt, wenn sie mit Wasser verdünnt und mit Zucker gesüßt wird.
  • Erwartungen. Es gibt einen Grund dafür, dass das Abendessen in einem feinen Restaurant besser schmeckt. Die Erwartungen an ein Essen konditionieren Ihr Gehirn so, dass Sie es auch auf eine bestimmte Art und Weise erleben. Ihre momentane Verfassung und frühere Erfahrungen sind dabei besonders wirksam.

Geschmacksstörung

Ageusie heißt es, wenn der Geschmackssinn völlig versagt. Bei den Geschmacksstörungen wird unterschieden zwischen qualitativer (veränderter Geschmacksstörung oder Geschmackswahrnehmung ohne Grund, letzere gibt in der TCM allerdings Aufschluss auf bestimmte körperliche Zustände, bitte dazu das Kapitel über die TCM lesen) und quantitativer (Überempfindlichkeit oder verminderte Empfindlichkeit). Ursachen sind z.B. Störungen der Geschmacksknospen (durch bestimmte Krankheiten, Nebenwirkung von Medikamenten, Vitaminmangel, mangelnde Mundhygiene…), der Nervenbahnen zum Gehirn oder im zuständigen Gehirnareal selbst. Auch wenn die Riechzellen der Nase ausfallen kann es zu Beeinträchtigungen des Geschmackssinns kommen. Außerdem wird durch regelmäßiges Rauchen die Geschmackswahrnehmung verändert und beeinflusst.

Schmecken wieder lernen – Einladung zur Geschmacksorgie

Gibt es für Geschmacksstörungen relativ wenige Therapieoptionen, können Sie  abgestumpfte Geschmacksknospen wieder schulen: Steigen Sie langsam aber sicher auf natürliche Lebensmittel um, nehmen Sie kleine Bissen, um besser kauen zu können – durch das Kauen entwickeln sich die Geschmäcker oft erst richtig. Verzichten Sie auf übermäßig Salz und scharfe Gewürze, unsere Mutter Erde bietet reichlich Kräuter an, die jedes für sich, aber auch in Komposition miteinander für aufregende Geschmackserlebnisse sorgen können.
Besonders bei Kindern können wir gut vorbeugen:  achten wir darauf, dass in Kindergarten, Schulen und Zuhause nur Speisen angeboten werden, die ohne künstliche Farb- und Aromastoffe zubereitet wurden.

Buchtipp:

Dein Körper - Das Missing Manual: Handbuch zu Funktion und Wartung
von Matthew McDonald
Oder alseBook: http://www.oreilly.de/catalog/yourbodymmger

 

 

Autorin: Eva Laspas - Chefredakteurin
weitere Infos: www.festivaldersinne.info/ 

 

 





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