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Die Kraft des Frühlings - das Element Holz der TCM Artikel

Der Frühling aus Sicht der TCM

Das Element Holz wird den Frühling zugeordnet

Die Kraft des Holzes tritt am Morgen und im Osten zutage, in der Geburt und in jedem Neubeginn, im frischen Wind und im Frühling. Das Holz ist das erste Element des Zyklus. Es wird das junge Yang genannt. Im menschlichen Organismus manifestiert es sich in Leber und Gallenblase, in den Muskeln und Sehnen, in den Augen und den Tränen. Im emotionalen Bereich bringt das Holz die Wut hervor, den Ärger und die Reizbarkeit; im Geist die Lust an Bewegung und Wachstum, das Planen und Entscheiden, den Unternehmungssinn und Entdeckergeist. Die dem Holz zugeordnete Farbe ist Grün.



Der Schlüssel zum Verständnis dieses Elementes ist der Baum. Er ist in der Erde verwurzelt, oft ebenso tief wie seine Äste in den Himmel ragen. Durch die Wurzeln nimmt er Wasser und Mineralien zu seiner Ernährung auf. Er wächst zum Himmel hinauf, und seine Äste breiten sich in alle Richtungen aus. Von jeher hat er für die Menschen das Wachstum versinnbildlicht, das Sichausbreiten in alle Richtungen, nach oben und nach unten, nach Osten und Westen, nach Norden und Süden. Von jeher war er ein Symbol der expansiven Kraft. Im Herbst und im Winter zieht er sich in sich selbst zurück und sammelt Kräfte für einen neuen Frühling und Sommer, für einen neuen Jahresring.

Bei den Essenern, einer religiösen Gemeinschaft im alten Palästina, wurde der Mensch symbolisch im Mittelpunkt des Lebensbaumes dargestellt. In ihm stand er, durch Kraftlinien verbunden wie in einem magnetischen Feld, zu allen Kräften des Himmels und der Erde in Bezug. Er wurde im Meditationssitz gesehen, die obere Hälfte seines Körpers als Äste und Zweige über der Erde, die untere Hälfte als Wurzel in ihr. Auch die Lage der physischen Organe wurde in diese Darstellung einbezogen. Die Verdauungs-, Ausscheidungs- und Fortpflanzungsorgane liegen in der unteren Hälfte des Körpers. Sie sind sein irdischer Teil. Die Lungen, das Herz und das Gehirn befinden sich in der oberen Hälfte und verbinden den Menschen mit den Kräften des Himmels. Leber und Gallenblase aber, die Organe des Holzes, liegen in der Körpermitte und verbinden oben und unten.

Auch für die Assyrer des Alten Testaments hatte die Leber eine besondere Bedeutung. Ihr Alltagsgruß lautete: »Möge deine Leber gesund sein!«

In der chinesischen Tradition wird die Leber als das Haus des Hún, das Haus der Seele, angesehen. Diese Beispiele veranschaulichen, dass der Mensch in vielen verschiedenen Kulturen als eine untrennbare Einheit gesehen wurde. Jedes seiner Organe hat neben seiner physischen eine geistige und seelische Funktion. Seele und Geist sind nicht nur im Gehirn angesiedelt, sondern in jeder Körperzelle und im gesamten Schwingungsfeld des Organismus. Die inneren Organe werden in der chinesischen Medizin auch mehr als geistig-seelisch-physische Funktionseinheiten aufgefasst denn als anatomische Form und physiologische Funktion. Wichtig ist, welchen Beitrag ein Organ zur Gesamtpersönlichkeit des Menschen leistet und welche Wechselwirkung es mit anderen Organen hat.

Dem Element Holz wird als Yin-Organ die Leber zugeordnet. Sie verkörpert die Yin-Energie des Holzes, die Fähigkeit, das Leben zu planen und zu sehen, sowohl im physischen wie im geistigen Sinn. Sie verkörpert die Vorstellungskraft, die kreative Kraft in uns, die unser Wachstum bewirkt. Sie ist der Erfinder, der Entdecker. Sie sieht die Zusammenhänge und den Sinn des Lebens. Sie entwickelt die Vision, den Plan. Jeder neue Plan, den wir fassen, jedes neue Konzept erweitert unsere Grenzen. Wir wagen uns ins Risiko, ins Unbekannte vor. Wir wachsen.

Wenn das Element Holz in einem Menschen gesund ist, beginnt er irgendwann in seiner Entwicklung zu sehen, dass die Natur selbst einen unermesslichen Plan verkörpert, einen großen Zusammenhang, in dem alles seinen Platz hat und eine Rolle spielt und jedes noch so unbedeutend wirkende Geschehen zum Muster der Ereignisse beiträgt. Dieser kosmische Plan übersteigt unser Vorstellungsvermögen meist in einem solchen Ausmaß, das wir, oft erst lange nachdem ein Ereignis stattgefunden hat, wahrnehmen können, dass die Kette der Zufälligkeiten einen inneren Sinn und Zusammenhang hat. Solange wir diesen inneren Sinn erkennen, wachsen wir in die Welt hinein, indem wir uns mit ihr verbinden, verbünden, verflechten. Wir wachsen zusammen mit der Umwelt – nicht gegen sie und auf ihre Kosten.

Das Yang-Organ des Holzes ist die Gallenblase. Sie verkörpert die Yang-Energie dieses Elementes: die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und uns mit unseren Bedürfnissen in der Außenwelt durchzusetzen. Man kann die Leber mit einem Architekten vergleichen, der den Plan für ein Haus entwirft, und die Gallenblase mit dem Baumeister, der die vielen Entscheidungen und Anordnungen trifft, die nötig sind, um das Haus Wirklichkeit werden zu lassen. Die Funktionen beider Organe hängen eng zusammen. Ohne ein umfassendes Konzept sind die Entscheidungen des Alltags zusammenhanglos und wenig sinnvoll. Gleichermaßen sind die schönsten Pläne und Projekte wertlos, wenn sie nicht durchgeführt werden können.

Wenn allerdings Planung und Organisation zu trockener und bürokratischer Routine werden, führt diese Art von Planung nicht zu organischem Wachstum, sondern bringt oft mehr Schaden als Nutzen. In der Sprache der fünf Elemente bezeichnet man eine starre Planung als trockenes Holz, das schon bei geringem Druck von außen splittert und bricht, da es nicht nachgeben kann. Holz muss biegsam sein und voll mit Saft, damit echtes Wachstum möglich ist.

Um einen Plan ausführen zu können, müssen wir Schritte zu seiner Durchsetzung unternehmen. Wir müssen »aus uns herausgehen« und uns holen, was wir zum Leben brauchen. Von daher wird verständlich, dass dem Holz die Bewegung, die Muskeln und die Sehnen zugeordnet sind.

Wenn es ein starkes Hindernis für unser Wachstum gibt, wenn wir uns in unserem Lebensraum nicht genügend ausbreiten können, fühlen wir uns frustriert. Diese Frustration unserer Lebenskraft führt zu Aggression. In der chinesischen Tradition werden dementsprechend dem Holz der Zorn, die Wut und die Reizbarkeit zugeordnet. Das cholerische Temperament entsteht, wenn das Element Holz in einem Menschen überwiegt. Zorn und Wut werden in Zusammenhang gesehen mit eingeschränktem Wachstum, mit einer Unfähigkeit, sich auszudrücken und frei bewegen zu können, oder auch mit Schwierigkeiten, Probleme klar sehen zu können. Zorn, Wut und Reizbarkeit werden unterschieden und verschieden bewertet.

Man sagt im Volksmund, jemand habe eine Wut im Bauch. In vielen Fällen meint man damit eine starke, oft unterschwellige und nicht genau definierte Form der Aggression, die sich bei geringfügigem Anlass entladen kann. Die Wut ist auch dadurch charakterisiert, dass sie wenig Möglichkeit findet, sich durch Sprache, Gestik oder Handlungen auszudrücken. Vielen Menschen mit dauernder Wut im Bauch fehlt die Fähigkeit, Konflikte in sich Selbst zu erkennen und anderen gegenüber formulieren zu können. Diese Menschen haben in ihrer Kindheit meist nicht gelernt, ihre Bedürfnisse so zu äußern, dass sie befriedigt wurden – und ihre Wut staut sich jahrelang an. Da sie oft nicht imstande sind, ihr Problem klar zu sehen, spricht man auch von »blinder Wut«. Diese Wut führt häufig zu destruktivem Verhalten.

Im Gegensatz zur Wut steht der Zorn. Der Zorn wird von den meisten Menschen in der oberen Körperhälfte empfunden. Er kann sich artikulieren, er kann sich Luft machen. Der Zorn ist gerichtet, gezielter als die eher unbestimmte Wut. Er ist die Aggression eines Menschen, der imstande ist, den eigenen Unmut gezielt auszudrücken.

Der Zorn ist eine Emotion, die uns hilft, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und uns durchzusetzen. In Situationen, in denen der Grund des Zornes gerechtfertigt erscheint, spricht man auch von »heiligem Zorn«. Ein bekanntes Beispiel ist die Szene im Alten Testament, in der Moses nach seiner Vision des unsichtbaren, namenlosen Gottes vom Berge Sinai herabsteigt und das Volk Israel vorfindet, wie es um das Goldene Kalb herumtanzt und einen Götzen anbetet. Da ergriff ihn heiliger Zorn.

Reizbarkeit und Irritation werden ebenfalls in der oberen Körperhälfte empfunden. Sie sind Anzeichen eines tieferen seelischen Prozesses, der sich nach oben hin in kleineren Entladungen Luft macht. In der Sprache der fünf Elemente bezeichnet man sie als nicht gesammeltes Holz.

Zorn und Wut werden in der chinesischen Anschauung als ein Ausdruck der Yang-Energie des Holzes betrachtet. Ein cholerisches Temperament, chronische Reizbarkeit oder unangemessene Wutausbrüche weisen auf eine Überfunktion der Gallenblase hin, die sich körperlich auch als heftige Migräne im Bereich der Schläfen und Scheitelgegend äußern kann. Eine länger bestehende Überfunktion oder eine Wut, die sich überhaupt nicht äußern kann, führt häufig zu Gallensteinleiden.

Bei einem Mangel an Yang-Energie im Holz kommt es zu kalter, zurückgehaltener Wut, zu Sarkasmus, Ironie und Zynismus, zu Bitterkeit und allgemein zu der Unfähigkeit, zornig zu werden. Er äußert sich in Apathie, Trägheit, Resignation und Depression. In diesen Fällen besteht ein Übermaß von Yin-Energie im Holz, entweder durch ein Übermaß von Yin in der Leber oder durch einen Mangel an Yang in der Gallenblase. Die tiefe Bitterkeit von Menschen, die vom Leben schwer enttäuscht wurden, ist das Resultat von jahrelanger Frustration, von ständigen Hindernissen bei ihrer Selbstverwirklichung. Sie zeigt ein schon lange bestehendes Ungleichgewicht im Holz an. Ironie, Sarkasmus und Zynismus findet man bei Menschen, die oft schon in früher Kindheit die Fähigkeit des natürlichen Herangehens an andere Menschen verloren haben. Oft sind sie das Ergebnis einer strengen, intellektuell oder puritanisch ausgerichteten Erziehung, bei der Gefühlsäußerungen und körperlicher Kontakt tabuisiert wurden.

Apathie, Interesselosigkeit und Depression zeigen an, dass der Mensch es aufgegeben hat, Pläne zu schmieden und seine eigenen Ziele zu verfolgen. Diese Haltung entsteht aus vielen Erfahrungen des Scheiterns, des nicht selbständig handeln Könnens, des sich nicht durchsetzen Könnens, der Mensch gibt auf. Man findet in diesen Fällen oft Alkoholismus und Tablettensucht – den Missbrauch von Leber schädigenden Drogen. Die Leber ist das Haus der Seele, und die Seele ist stumpf geworden. Der Alkohol dient dazu, diesen Zustand aufrechtzuerhalten und keine neuen Hoffnungen aufkommen zu lassen, die das erworbene düstere Weltbild in Frage stellen würden.

Depression und Resignation haben ihre Wurzel oft in einer Störung des Holzes, die sich dann über den Lebermeridian in die Lunge ausbreitet und zu einer flachen Atmung, einem eingesunkenen Brustkorb und vorgezogenen Schultern führt.

Die kalte, weiße Wut (man kann weiß oder auch grün sein vor Wut) siedet unter einer erstarrten Oberfläche. Wenn sie durchbricht, kann sie lebensgefährlich werden. So kommt es immer wieder vor, dass brave, angepasste Familienväter sich und manchmal auch ihre Familie in einem Anfall von Verzweiflung töten. Kann die Wut über Jahre überhaupt nicht mehr durchbrechen, richtet sich die Aggression gegen den eigenen Körper, häufig in der Form von Gicht und rheumatischen Erkrankungen wie der chronischen Polyarthritis – Erkrankungen, bei denen Gelenk- und Muskelschmerzen im Vordergrund stehen und die zu einer zunehmenden Einschränkung der Beweglichkeit führen.

Immer verbreiteter und vielfältiger werden auch die sogenannten Autoimmunerkrankungen, die dadurch entstehen, dass der Körper Abwehrstoffe gegen eigenes Gewebe produziert. Sie werden treffend auch als Autoaggressionserkrankungen bezeichnet. Diese Krankheiten entwickeln sich über Jahre und Jahrzehnte, sie verlaufen chronisch und können von der westlichen Medizin symptomatisch behandelt und eventuell zum Stillstand gebracht, aber nicht geheilt werden. Charakteristisch für viele dieser Erkrankungen ist, dass sie weitaus häufiger bei Frauen auftreten. Frauen haben auch viel weniger kulturellen Spielraum als Männer, wenn es darum geht, sich durchzusetzen oder seinem Zorn Luft zu machen.

Innerhalb der Lehre von den fünf Elementen wird Aggression nicht mit destruktivem Verhalten gleichgesetzt, sondern als grundsätzlicher Lebensimpuls verstanden – als die Kraft des Holzes. Das Wort Aggression kommt vom lateinischen Verb aggredi, das »herangehen« bedeutet, an eine Sache, an jemanden herangehen. Wird dieses Herangehen, dieses aus sich Herausgehen in seinem natürlichen Ausdruck behindert und eingeschränkt, kommt es zum Stau, zu einer angespannten und verhärteten Muskulatur. Diese Muskelverspannungen befinden sich vor allem im Nacken und Rücken, an Schultern und Armen. Gestaute Aggression ist eine der Hauptursachen für Nacken- und Rückenschmerzen.

Das Wachstum des Holzes erfolgt in alle Richtungen. Es wächst, wenn es kann, nicht einseitig und asymmetrisch. Koordination und Symmetrie sind wesentliche Kennzeichen dieses Elements in der Natur wie im Leben der Menschen. Fast alle Krankheiten, deren Symptome nur in einer Körperhälfte auftreten, oder solche, die durch mangelnde Koordination der Organe, Hormondrüsen und Muskelbewegungen gekennzeichnet sind, gehen auf eine Störung des Holzelements zurück. Häufig kann man ein Ungleichgewicht im Holz auch an einem asymmetrischen Gesicht oder Körperbau erkennen und an stark unterschiedlicher Sehkraft der Augen.

Da das Holz die Zyklen des Wachstums regiert, bewirkt es im Ungleichgewicht Störungen dieser Zyklen, zum Beispiel Wachstumsstörungen in der Kindheit und Jugend, unregelmäßige oder schmerzhafte Menstruation, Frühgeburten und Krebs. Weitere körperliche Folgeerscheinungen eines Ungleichgewichtes im Holz sind Augenerkrankungen und Sehfehler, wie zum Beispiel Kurzsichtigkeit und Astigmatismus (Altersweitsichtigkeit hingegen ist ein physiologischer Vorgang, der dem Erschlaffen des Holzes in späteren Lebensjahren entspricht). Kopfschmerzen hinter den Augen und in der Schläfen- und Scheitelgegend und auch Bluthochdruck.

Im psychischen Bereich drückt sich ein Ungleichgewicht im Holz, zusätzlich zu den oben angeführten Störungen, in verschiedenen Geisteskrankheiten aus, insbesondere in Schizophrenie und manchen Formen der Epilepsie. Die Ursache dafür wird erkennbar, wenn man bedenkt, dass die Schizophrenie der krasseste Ausdruck einer Persönlichkeitsspaltung ist und dass ein wesentliches Charakteristikum des Holzelements die Koordination der verschiedenen geistigen, seelischen und körperlichen Funktionen untereinander ist, vor allem die Koordination von rechter und linker Gehirnhemisphäre. In weniger augenfälligem Maße findet man heute bei vielen Menschen in unserer Kultur eine mangelnde Übereinstimmung der rechten und linken Hemisphäre, die sich sowohl in dem erwähnten asymmetrischen Körperbau zeigen kann als auch in den Schwierigkeiten vieler Menschen, Denken, Logik und Rationalität mit Intuition, Phantasie, Kreativität und Gefühl in Einklang zu bringen.

Bei der Epilepsie handelt es sich um einen komplexen Vorgang, an dessen Zustandekommen mehrere Elemente beteiligt sind. Meist ist dabei die Feuer-Wasser-Achse gestört. (Das Wasser kann das Feuer nicht löschen; siehe das Kapitel über die Zyklen, Seite 123) Der Anteil des Holzes liegt sowohl in der äußeren Erscheinungsform dieser Krankheit – das Grand Mal ist einem übersteigerten Tobsuchtsanfall nicht unähnlich – als auch in einem tiefen seelischen Geschehen, welches vielleicht nur auf der schamanischen Ebene der Wirklichkeit voll verstanden werden kann. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass viele Seher und Propheten, man denke an Moses, Epileptiker waren oder zumindest in ihren Trancezuständen ähnliche Symptome zeigten. Viele Urvölker sehen die Epilepsie als heilige Krankheit an, die es der Seele ermöglicht, in eine jenseitige Dimension einzutreten.

Wie aus der Aufzählung der mit dem Holz verbundenen Krankheiten und Störungen hervorgeht, kommt diesem Element bei der Diagnose und Therapie sowie zum besseren Verständnis einiger sogenannter Zivilisationskrankheiten eine große Bedeutung zu. Vor allem die immer häufiger werdenden Autoaggressionserkrankungen (bei denen neben dem Holz auch das Element Erde eine wichtige Rolle spielt), Polyarthritis (Arthritis wird in der chinesischen Tradition mit dem Knarren eines alten Baumes im Wind verglichen), Migräne, Menstruationsstörungen und Geisteskrankheiten wie die Schizophrenie – um nur einige Beispiele herauszugreifen – sind in ihren Erklärungsmodellen von der europäischen Medizin bisher nicht voll erfasst worden. Höchstwahrscheinlich sind sie mit einer vorwiegend materiell orientierten Weltsicht auch nicht voll erfassbar, denn die Ursachen liegen meist im geistigen und seelischen Bereich – oft schwächen diese »Ursachen« ein Organ so weit, dass sich dann eine Infektion oder eine andere Erkrankung entwickeln kann.

Bei Störungen im Holz kann die Behandlung schwierig sein, da Holz das Element der Hypochonder ist. Das wird verständlich, wenn man bedenkt, dass Verwirrung und Unordnung herrschen, wenn Pläne und Entscheidungen fehlen. In einem solchen Falle tauchen Symptome auf und verschwinden wieder, oder sie scheinen willkürlich von einem Körperteil zum anderen zu wandern. Ebenso sind Schwächezustände und verschiedene Krankheitssymptome, die immer wiederkehrend zur Zeit des Frühlings auftreten, ein Hinweis auf ein krankes Holz, da der Frühling die Zeit der größten Kraftentfaltung des Holzelementes ist.

Wenn das Holz im Gleichgewicht ist, wird der Frühling neue Ziele, neue Ambitionen und Interessen, eine frische Vitalität mit sich bringen. Wenn das Holz dagegen krank ist, wird der Frühling eine Zeit der Frustration, Frühjahrsmüdigkeit und Depression sein. Die Statistiken zeigen, dass die Zahl der Selbstmorde im Frühjahr steigt. Mit der traditionellen Behandlung nach der Fünf-Elementen-Lehre ist es möglich, die Balance wiederherzustellen, so dass neues Wachstum gefördert wird und die frische Energie, die der Frühling dem Holz bringt, sich fortsetzen kann in die Wärme des Sommers, die Reifezeit des Nachsommers, die Erntezeit des Herbstes und die Ruhephase im Winter, in der neue Pläne zu keimen beginnen als Vorbereitung auf einen neuen Zyklus des Wachstums.
Ebenso wie man das Wirken der fünf Elemente in körperlichen, seelischen und geistigen Bereichen des Menschen aufspüren kann, findet man ihre Wirkung im zwischenmenschlichen Bereich und in den verschiedenen Kultur- und Gesellschaftsstrukturen. Bei näherer und weiterer Betrachtung zeigt sich auch, dass Kulturen, Nationen und Gesellschaftsformen eine dem menschlichen Organismus weitgehend analoge Struktur bilden. Einige Urvölker sehen unsere Erde als einen riesengroßen Organismus und die Menschheit als sein Zentralnervensystem. Aus diesen Analogien wird deutlich, wie leicht der Ausfall oder die Vernichtung eines Teiles dieses gigantischen Zentralnervensystems – wie bei einer Gehirnblutung – das Wohlergehen des Gesamtorganismus verschlechtern und vielleicht sogar sein Überleben in Frage stellen kann.

In Europa, Nordamerika und Japan liegt das vielleicht folgenschwerste Ungleichgewicht der Elemente im Holz. In diesen hochindustrialisierten Ländern besteht eine gespaltene Beziehung zu diesem Element. Die Spaltung liegt, in der Sprache der Elemente ausgedrückt, in einem sehr starken, selbstbewussten Holz-Yang, dem ein schwaches, unterernährtes, verwirrtes Holz-Yin gegenübersteht. Einerseits expandieren diese Länder seit langem gewaltig auf vielen Gebieten, technologisch, militärisch und missionarisch. Weltanschaulich haben sie sich anderen Völkern gegenüber durchgesetzt. Viele Erfindungen, Entdeckungen und wissenschaftlicher Fortschritt mit hochentwickelten Technologien gehen auf sie zurück. Andererseits fallen in ihren Städten die zunehmende Sinnlosigkeit und grundsätzliche Unsicherheit auf, die viele Menschen als Lebensgrundgefühl begleiten. Bei der Frage nach neuen Zielsetzungen und Visionen, die sich vor allem im Zusammenhang mit der globalen Ökologiediskussion, dem Waldsterben und der Atomwaffendebatte stellt, fällt eine tiefgehende Verwirrung und Richtungslosigkeit auf. Viele Maßnahmen werden ergriffen, viele Resolutionen verabschiedet. Sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie Entscheidungen von Baumeistern sind, die zwar Detaillösungen anbieten, jedoch den großen Zusammenhang nicht sehen oder wahrhaben wollen.

Es gibt viel Kommunikation und Information, aber wenig Vision. Es wird viel gesprochen und gesendet, aber wenig reiflich überlegt. Die Fähigkeit, Visionen zu haben und große Zusammenhänge zu erkennen, wird nicht mehr geachtet und daher auch nicht entwickelt. Die Visionäre kommen nicht mehr zu Wort. Man bringt ihnen Misstrauen entgegen. Große Visionäre – Sokrates und Christus – wurden vergiftet und gekreuzigt. Andere wurden verleumdet, verschwiegen, missverstanden, ins Gefängnis gesteckt, mundtot gemacht oder diskreditiert. Es gibt zahlreiche Beispiele: Hexen und Weise des Mittelalters, Paracelsus und Mesmer, Büchner, Nietsche, Sigmund Freud und Wilhelm Reich, Gandhi und Martin Luther King, um nur einige wenige Namen zu nennen. In anderen Kulturen wurde den Sehern und Propheten ein gewisses Maß an außergewöhnlichem Verhalten zugebilligt. Es wurde ihnen das Recht zugestanden, tiefgehende Kritik selbst and den Herrschaftsstrukturen zu üben – das war noch den Hofnarren an den mittelalterlichen Höfen gestattet -, in unserer Welt dagegen ist es verpönt, ein Narr wie ein Weiser zu sein.

Die Vision ist die Kraft des Holzes. Und bevor eine neue Vision Gestalt annehmen kann, herrschen oft Verwirrung, Auflösung und Chaos. Insofern achteten die Alten die Weisheit des Narren und ertrugen seine Launen.

Eine weitere Spaltung im Holzelement zeigt sich in unserer Einstellung zur Aggression. Einerseits wird Aggression von der christlichen Lehre als schlecht und böse bezeichnet. Im zwischenmenschlichen Bereich wird ein lautes Wort oder eine heftige Geste häufig negativ bewertet. Der Ausdruck natürlicher, spielerischer Aggressivität wird oft schon im Kleinkindalter eingeschränkt und unterdrückt. Andererseits gehört die abendländische Kultur zu den aggressivsten, die es je gab. Sie „hat sich die Erde untertan gemacht“. Das Ausmaß an Zerstörung, das von dieser Kultur ausgegangen ist, braucht hier nicht ausgeführt zu werden Die Unterdrückung von Aggression im zwischenmenschlichen Bereich hat zu einem gewaltigen Stau geführt, der sich dann immer wieder auf kultureller und nationaler Ebene entlud, entladen musste. Und so finden wir uns in der paradoxen Situation, dass die jeweiligen Führer und Sprecher der industrialisierten Welt von Frieden und Sicherheit reden und das Vernichtung dabei herauskommt. Sie bringen anderen Kulturen den Forschritt – und zerstören sie. Auch die meisten wissenschaftlichen Theorien der Aggression zeichnen sich durch die allgemeine kulturelle Blindheit für dieses Phänomen aus. Die Aggression ist unser „blinder Fleck“. Wie anders wäre es zu erklären, dass es heute noch wissenschaftliche Tagungen und Publikationen gibt, die sich mit der Frage beschäftigen, ob Aggression vererbt oder erlernt ist? Aggression wird in der orthodoxen Psychotherapie noch immer weitgehend und zumindest unterschwellig als pathologisch und destruktiv gewertet, als etwas, das wegtherapiert und „transformiert“ werden sollte.

Eine andere gängige Ansicht, Aggression sollte durch Liebe und besseres Verstehen „bewältigt“ werden, führt ebenfalls zu unnatürlichen Verhaltensmustern, in denen ursprüngliche Gefühle nicht ausgedrückt werden können. Das Resultat dieser Bewältigung ist meist Scheinheiligkeit und eine subtile Kastration der schöpferischen und selbständigen Impulse des Menschen.

Eine weitere Ursache für die negative Besetzung von Aggression liegt in ihrer engen Verbindung zur Sexualität. Wie aus Untersuchungen von Anthropologen und Forschern wie Margaret Mead und Wilhelm Reich hervorgeht, geht ein gehemmtes Aggressionsverhalten mit einem gehemmten Sexualverhalten Hand in Hand, oder, positiv formuliert, ein lebhaftes Aggressionsverhalten bedingt ein lebhaftes Sexualverhalten und umgekehrt. Dieser Zusammenhang wird auch aus der Bildersprache der Chinesen verständlich: Holz ist seinem Wesen nach eine sanft fließende, ununterbrochene, ungehemmte Ausdehnung. Wenn du jemanden liebst, körperlich, seelisch oder geistig, dringt du in seinen Raum ein. Du breitest dich in seinem Raum aus. Du wächst. Wenn du einen anderen umarmst, wird der Raum größer, in dem du bist. Dieses einfache Phänomen der sanften Ausdehnung und Verbundenheit mit anderen, mit einem größeren Raum, als du selbst bist, ist Liebe und gehört in der chinesischen Tradition zum Element Holz.

Die Gespaltenheit der abendländischen Kultur im Holz zeigt sich auch hier. Einerseits wird die Liebe zum höchsten Wert gemacht und mystifiziert, andererseits wird sie entkörperlicht und eingeschränkt. Ihre Ausdrucksmöglichkeiten sind an vielfältige Bedingungen geknüpft und in strenge Rituale gekleidet. Die Blumenkinder wurden von der Polizei verfolgt und zerstreut „Make love, not war!“ galt als sittenwidrige Provokation.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Begriff Liebe in den alten chinesischen Texten kaum vorkommt. Im I-Ging, dem Buch der Wandlungen, gibt es kein Hexagramm, das unserer Idee von Liebe entspricht. Es gibt den Frieden, das Empfangende, das Schöpferische, das Erregende, das Sanfte, das heitere, das Entgegenkommen, aber unser Konzept von Liebe gibt es nicht. Erst in den späteren Kommentaren zum I-Ging findet man diesen Begriff.

Im Da Dschuan, der Großen Abhandlung, steht: „Indem der Mensch dadurch dem Himmel und der Erde ähnliche wird, kommt er nicht in Widerspruch mit ihnen. Seine Weisheit umfasst alle Dinge, und sein SINN ordnet die ganze Welt. Darum macht er keine Fehler. Er wirkt allenthalben, aber er lässt sich nirgends hinreißen. Er freut sich des Himmels und kennt das Schicksal. Darum ist er frei von Sorgen. Er ist zufrieden mit seiner Lage und ist echt in seiner Güte. Darum vermag er Liebe zu üben.

 




Dieser Artikel wurde vom Achim Eckert zur Verfügung gestellt
Nähere Infos finden Sie auf seiner Webseite: www.taotraining.at





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